Von der Wolga bis zum Neckar
Russisch- und Deutscholympiade in Stuttgart
Was wird auf mich zukommen? Werden die Prüfungsaufgaben schwierig sein? Aus welchem Bundesland kommen meine Zimmergenossinnen? Und vor allem, welche Erfahrungen haben sie schon mit der russischen Sprache gemacht? Genau diese Fragen und Gedanken beschäftigten mich, als ich mich letzten Donnerstag, den 26.11, mit dem Zug auf den Weg zum Düsseldorfer Hauptbahnhof machte, um dort die anderen sechs besten Russischschülerinnen NRWs und unseren Betreuungslehrer aus Paderborn zu treffen. Von hier aus ging es mit dem ICE weiter nach Stuttgart, wo in diesem Jahr die 11. Bundesolympiade der russischen Sprache stattfand. Nach einer kurzen Verschnaufpause in der Jugendherberge, begann die Eröffnungsveranstaltung in der Festhalle des Leibniz Gymnasiums Feuerbach. Neben der zahlreichen Grußworte und Danksagungen, wurde uns Olympioniken ein Programm aus vielen musikalischen Einlagen geboten: Ein Gesangstrio, eine russische Band, sowie das Balalaika-Orchester vom Schelztor-Gymnasium Esslingen unter der Leitung von Rolf Laschet, was meiner Meinung nach den Höhepunkt des Abends darstellte.

Anschließend wurden alle 74 Olympioniken aus 12 Bundesländern, sowie die 16 russischen Teilnehmer der Deutscholympiade aus Stuttgarts Partnerstadt Samara, die an der Wolga liegt, namentlich aufgerufen, um als Erinnerungsstück eine Armbanduhr mit dem Logo der Olympiade entgegenzunehmen.
Nach diesem erlebnisreichen Tag fiel ich müde ins Bett, doch Zeit zum Ausruhen gab es nicht: Schon am nächsten Morgen um 8.30 Uhr saßen wir alle pünktlich in den Klassenräumen des Leibniz Gymnasiums, um den schriftlichen Teil der Prüfung zu absolvieren.
Voller Aufregung drehte ich den Text meiner Niveaustufe A2 um und hoffte, dass dieser nicht allzu viele unbekannte Vokabeln enthielt, denn die Benutzung eines Wörterbuchs war während der Prüfung nicht erlaubt. Nach 25 Minuten Bearbeitungszeit (Lesen und Notieren von Stichpunkten) mussten wir nun die drei vorgegeben Aufgaben innerhalb von 35 Minuten  erledigen, die entsprechend des Textes das Thema Freundschaften behandelten. Diese Aufgabe fiel mir im Gegensatz zu der noch bevorstehenden mündlichen Prüfung leicht, die uns allerdings erst am nächsten Tag erwartete.
Im Anschluss an die erste Prüfung hatten wir nun die Möglichkeit, uns an den verschiedenen  Ständen der Sponsoren über Schüleraustausche, Russischbücher und Schülerzeitungen zu informieren. Danach erwartete uns Olympioniken ein russisches Mittagessen in der Schule, das von engagierten Eltern zubereitet wurde. Trotz der Mühe konnte ich mich nicht allzu sehr für das russische Nationalgericht Borschtsch begeistern, da es mir schon letztes Jahr bei einem Besuch in Moskau, der von meinem Russischlehrer und dem Olympiabeauftragten, Klaus Dropmann, organisiert wurde, nicht wirklich schmecken wollte.
Anschließend kam der spannendste Teil der Olympiade: Endlich wurde bekannt gegeben, woraus der mündliche Teil der Prüfung bestand. Den Teilnehmern aller Niveaustufen, A1 bis C2, stand ein Bewerbungsgespräch in verschiedenen Betrieben bevor. Meine Aufgabe war es, mich mit den anderen Teilnehmern der Gruppe A2 in einem kleinen Theater namens „Theater am Olgaeck“ über den Beruf des Regieassistenten, sowie über das Theater selbst zu informieren. Nach circa einer Stunde hatten wir genug Informationen gesammelt, um mit der eigentlichen Arbeit in der Jugendherberge zu beginnen. Es galt ein kreatives Plakat zu erstellen, das mit in das Bewerbungsgespräch am nächsten Morgen einbezogen werden sollte. Leichter gesagt, als getan, denn zunächst mussten erst einmal viele Vokabeln nachgeschlagen werden und sich überhaupt ein konkretes Konzept ausgedacht werden. Bis 21.30 Uhr stand uns ein Raum zum „Basteln“ zur Verfügung, doch diese Zeit reichte bei Weitem nicht aus. Viele Teilnehmer saßen bis früh morgens in den Fluren, um ihre Plakate zu perfektionieren. Auch ich arbeitete von 16.30 bis 00.30 Uhr, bis mich schließlich die Müdigkeit einholte. Bei den letzten Vokabelfragen half uns unsere russische Zimmergenossin, die uns jederzeit tatkräftig zur Seite stand.
Am nächsten Morgen war es dann soweit: Die mündlichen Prüfungen standen bevor. Da ich erst um 10.30 Uhr mein Plakat vorstellen musste, hatte ich vorher also noch Zeit, um an einem Workshop teilzunehmen. Zur Auswahl standen u.a. russische Volkstänze, sowie – lieder, ich jedoch entschied mich für einen Balalaikakurs, der sich als sehr amüsant und lehrreich herausstellte. Doch schon kurz danach wurde es „ernst“. Ich machte mich aufgeregt auf zu meinem Prüfungsraum und wurde auch gleich hereingebeten. Dort erzählte ich vor 3 Russischlehrerinnen 8 Minuten lang das, was ich mir den Abend zuvor eingeprägt und vorbereitet hatte, doch zwischendurch stockte ich ein paar Mal und anstelle russischer Wörter kamen mir immer wieder französische in den Sinn, was ziemlich verunsichernd und verwirrend war. Schließlich war die Zeit um und all die Anspannung war wie weggeblasen. Endlich hatte wir ein wenig Zeit, um uns zu entspannen oder Stuttgart genauer kennen zu lernen. Nach dem diesmal deutschen Mittagessen entschied ich mich für einen Besuch im Mercedes Benz Museum, der ziemlich interessant und beeindruckend war.
Am Abend dann wurden alle Teilnehmer und Beteiligten der Olympiade in das Bosch Haus Heidehof eingeladen, wo zunächst ein Empfang und die anschließende Siegerehrung stattfanden, doch bevor es soweit war, meldeten sich noch einmal Veranstalter, Sponsoren, Vertreter der Landesregierung und der Generalkonsul der Russischen Föderation in Frankfurt zu Wort, um ihre Großworte und Glückwünsche zu verkünden. Zwischendurch spielte noch einmal das tolle Balalaika Orchester und für den lustigen Teil sorgten zwei russische Clowns, sowie ein deutsch- russischer Sketch nach Tschechow.
Anschließend begann die Siegerehrung beider Olympiaden und alle Teilnehmer hofften auf einen Platz, doch nur die jeweils drei besten Olympioniken aller Niveaustufen erhielten einen Preis. So freute ich mich sehr, als meine Zimmergenossin aus NRW den 3. Platz in der Gruppe C2 belegte. Auch wenn ich nicht eine dieser drei war, fühlte ich mich trotzdem als Siegerin, denn als eine der 7 besten Russischschülerinnen NRWs bei dieser Veranstaltung vertreten sein zu dürfen, war für mich schon eine große Ehre und ein kleiner Triumph. Zudem erhielten wir auch eine Teilnehmerurkunde, die für die berufliche Zukunft oft sehr wertvoll sein kann, denn wer viele Sprachen beherrscht, ist klar im Vorteil. Deshalb lautete das Motto der diesjährigen Olympiade „Neue Chancen mit Russisch“. Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich in diesen vier Tagen sehr viel Spaß hatte und zahlreiche Leute kennen gelernt habe, die schnell zu Freunden wurden, obwohl sie gleichzeitig Konkurrenten waren. Ich kann nur jedem empfehlen, der die Möglichkeit hat Russisch zu lernen, diese Chance wahrzunehmen, denn wer diese Sprache beherrscht, kann sich nicht nur verständigen, sondern taucht in eine ganz neue Welt mit einer anderen Schrift und einzigartigen Kultur ein, die man ohne Kenntnisse und Liebe zur Sprache niemals entdecken würde.


Lena Schmelter, Nordrhein-Westfalen